Klimastation Vernagtbach von Süden mit Pegelstation. Im Hintergrund der Vernagtferner und die Hochvernagtspitze (3535 m).        Foto: L. Braun am 28.9.2009
Die Klimastation ASW-A auf dem Vernagtferner auf ca. 3070 m
Foto: Christhoph Mayer
Eisablation, gemessen an der ASW-A
Die kumulative Eisschmelze am Vernagtferner in den Sommern 2022, 2021 und 2020, gemessen an der Automatischen Wetterstation AWS-A auf ca. 3060 m Höhe mit einem „Ablationssack“. Zum Vergleich ist eine Rekonstruktion der Entwicklung in 2003 eingetragen, die zwar modelltheoretisch mit dem Massenbilanzmodell SURGES 2.0 berechnet wurde, aber mit tempo-rär durchgeführten Messungen mit einem Ultraschallabstandsmesser validiert werden konnte ( Kropac, 2016) .
Albedo im Sommer an der ASW-A auf 3070 m
Albedo über die Sommermonate Juni, Juli und August an der Station AWS-A auf dem Vernagtferner auf 3060 m in den Jahren 2019- 2022, ergänzt um die Modellierung mit SURGES 2.0 des Jahres 2003 ( Kropac, 2016 ).
Nettostrahlung an der ASW-A im Sommer 2022
Die extremen Ablationsraten in den Sommern 2003 und 2022 sind nur möglich, falls die Albedo bereits in den Monaten Juni und Juli die niedrigen Werte der Eisalbedo abnimmt. Dies war in diesen Jahren der Fall (Abbildung oben). Für 2003 wurde die Ablation mittels einem physikalischen Rechenmodell berechnet, welches Messdaten vor Ort (oder dorthin extrapolierte Werte) als Eingabedaten verwendet. Die nicht gemessene Albedo wurde so gewählt, dass die berechnete Ablation die optimale Übereinstimmung mit den Messwerten vor Ort ergibt. Demnach waren sehr tiefe Werte um 0.12 in den Monaten Juni und Juli notwendig mit nur kurzeitig höheren Werten nach Schneefällen. 2022 wurde die Albedo kontinuierlich gemessen und derartig tiefe Albedowerte bestätigt. In normalen Jahren treten Albedowerte kleiner als 0.2 erst nach Ausaperung im August auf. Dann ist das Strahlungsangebot jedoch deutlich geringer als im Juni und August. Dies zeigen auch die täglichen Mittelwerte der an der Station im Sommer 2022 gemessenen Nettostrahlung, die der vor Ort absorbierten Strahlungsleistung entspricht (Abbildung unten). Sie ist Ende Juni nach dem Abbau der Schneedecke maximal und nimmt im Verlaufe des Sommers kontinuierlich ab. Ende August ist die absorbierte im Mittel um 30% niedriger als im Juni und Juli. Dies ist die Kombination sowohl aus dem in Abhängigkeit vom Zenitwinkel der Sonne geringeren Einstrahlung als auch der Erhöhung der Albedo.
Tägliche Mittelwerte der im Sommer 2022 an der AWS-A auf dem Vernagtferner in ca. 3060 m Höhe an der Oberfläche ab- sorbierten Komponenten der kurzwelligen (rot) und langwelligen (blau) Nettostrahlung sowie (orange) deren Summe.
Die Klimastation ASW-A wird seit 2017 an der Oberfläche des Vernagtferners auf ca. 3070 m Höhe als automatische Wetterstation betrieben. Dort werden sämtliche zur Bestimmung der Energiebilanz relevante meteorologischen Größen sowie die schneehöhe und die Ablation gemessen und als 5-Minuten-Mittelwerte nach München übermittelt.
Zeitraffer der Änderung der Oberfläche des Vernagtferners 2003 im Vergleich zu 2022
Zeitraffer der Änderung der Oberfläche des Vernagtferners 2021 im Vergleich zu 2022
Albedo Globalstrahlung
Monatsmittelwerte der Albedo von Mai bis September, gemessen an der AWS-A auf dem Vernagtferner in ca. 3060 m Höhe für die Jahre 2020, 2021, und 2022. Die Werte für 2003 sind Ergebnisse einer Modellrechnung.
Monatssummen des Angebots an kurzwelliger Strahlung von Mai bis September, gemessen an der AWS-A auf dem Vernagt-ferner in ca. 3060 m Höhe für die Jahre 2020, 2021, und 2022. Die Werte für 2003 sind Ergebnisse einer Modellrechnung, basierend auf den Messungen an der Klimastation Vernagtbach.
Die Abbildung oben verdeutlicht, warum die Eisschmelze in den Sommern 2003 und 2022 die in normalen Jahren so eklatant übertreffen konnte. Sie ist das Resultat der beiden Abbildungen oben links und oben rechts und zeigt die Monatssummen der an der Station ASW-A die auf 3060 m an der Gletscheroberfläche absorbierten kurzwelligen Strahlung in den Monaten Mai bis September. Für die Jahre 2020 bis 2022 handelt es sich um direkte Messwerte, für 2003 wurden realistische Größen mit dem physikalisch basierten Modell SURGES 2.0 auf der Basis der Messungen an der Klimastation Vernagtbach berechnet. Eisschmelze ist mit einer Albedo von kleiner als 0.3 verbunden. Eine Schneedecke hat dagegen eine Albedo oberhalb von 0.5. Die Monatsmittelwerte der Albedo zeigen, dass reine Eisschmelze gewöhnlich nur im August stattfindet, während in den übrigen Monaten die Schneeschmelze dominiert. In den Rekordjahren zeigen die niedrigen Mittelwerte, dass sowohl im Juli als auch August ausschließlich Eis geschmolzen wurde. Das Strahlungsangebot durch die Globalstrahlung (Abbildung oben rechts) zeigt von Jahr zu Jahr nur eine geringe Variation, während die Abnahme zum Ende des Sommers und Herbst hin um gut 30% beträgt. In den Monaten Mai, Juni und Juli ist die saisonale Abnahme der Einstrahlung noch von geringer Bedeutung. Die sich als Produkt von Einstrahlung und Albedo ergebende potentielle Schmelzenergie für die Eisschmelze ist in den „normalen“ Jahren 2020 und 2021 nur im August und teil-weise im September relevant, 2003 und 2022 dagegen werden bereits im Juli mit über 160 kWhm -2 mehr Energie als im August absorbiert und teilweise auch nennenswerte Beträge im Juni. Nach einer einfachen Faustformel können mit einer kWh auf den Quadratmeter eine Schicht von ca. 1 cm Eis (genauer 10.8 mm) geschmolzen werden. Damit lassen sich die beobachteten Schmelzraten in den Jahren 2003 und auch die mit 4 m noch höheren Beträge 2022 bereits anhand der ungewöhnlichen Absorption der solaren Einstrahlung auf Grund der niedrigen Eisalbedo im Juni und Juli erklären.